Vorwort Frau Serap Özer
STARKE DEMOKRATIE DURCH STARKE FRAUEN
Northeim, 05.12.2021
Serap Özer (Vorstandmitglied Köprü e.V.)
Vor mittlerweile 104 Jahren erkämpften sich Frauen ihr Wahlrecht in Deutschland, seit 64 Jahren gelten sie vor dem Gesetz als gleichberechtigt und sollen auf dem Arbeitsmarkt die gleichen Chancen wie Männer erhalten. Doch auch mit diesen Meilensteinen auf dem Weg zur Gleichstellung werden heute noch viele Frauen und Mädchen durch traditionelle Rollenbilder benachteiligt, trotz ihrer oftmals guten Bildung sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert, verdienen weniger, arbeiten häufiger in Teilzeit und nehmen seltener politische Ämter an.
Es wird Zeit, dass Frauen im Berufsleben und in der Politik akzeptiert werden und ihr Engagement als selbstverständlich gilt. Der Landkreis Northeim steckt voller Chancen: Karrieremöglichkeiten, Ehrenamt und eine Vielzahl an Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind nur einige Punkte, die Frauen dabei unterstützen können, ihren eigenen Weg zu gehen.
Die Broschüre zeigt, dass es im Landkreis Northeim bereits viele starke weibliche Persönlichkeiten gibt. Mit ihrer Hingabe, ihrer Begeisterung und ihrer Entschlossenheit sind sie als bemerkenswerte Vorbilder für andere Frauen zu sehen.
Liebe Frauen, stehen Sie für sich, Ihre Bedürfnisse und Sichtweisen ein und verhelfen Sie Ihrem Umfeld damit zu einer neuen Perspektive. Demokratie lebt von der Vielfalt unterschiedlicher Betrachtungsweisen, daher müssen alle Geschlechter, Nationalitäten und Generationen mit einbezogen werden und dies auch wollen.
Diese Broschüre sollte Sie dazu ermutigen, sich bemerkbar zu machen. Gestalten Sie Ihr Leben aktiv nach Ihren Wünschen mit, indem sie sich in der Politik engagieren und schauen, wo Sie etwas für Ihre Chancengleichheit bewirken können.
Unsere Gesellschaft hat auf dem Weg zur Gleichberechtigung schon viele Fortschritte erzielt, wir benötigen allerdings noch mehr mutige Frauen, die etwas bewegen wollen und mehr Männer, die sie dabei unterstützen, damit die Geschlechter in der Zukunft privat und beruflich gleichgestellt sind.
Nermin BOZKURT (38)
Hobbys / Freizeitaktivitäten / evtl. ehrenamtliches Engagement?
Ich engagiere mich ehrenamtlich als Lesementorin für Grundschüler.
Familienstand?
ledig
Beruf?
Verantwortliche für den interkulturellen Dialog der Polizeidirektion Göttingen
Eine interkulturelle Brücke bedeutet für mich…
... Verständigung zu schaffen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft,
Weltsicht, Religion und Sprache.
Ich finde Demokratie wichtig, weil… / Demokratie bedeutet für mich…
... politische und gesellschaftliche Partizipation, Beteiligung an
gesamtgesellschaftlichen Entscheidungsprozessen, freie Meinungsäußerung.
Was war dein Beweggrund / deine Motivation deinen Beruf bzw. dein ehrenamtliches Engagement auszuüben?
Mir macht die Arbeit in einem interkulturellen Kontext Spaß. In meiner Funktion in
der Polizeidirektion Göttingen bin ich gewissermaßen eine "Brückenbauerin"
zwischen der Organisation und Angehörigen anderer Kultur- und Religionskreise.
Wurden dir in deinem bisherigen Werdegang Steine in den Weg gelegt? Kannst du dich an ein bestimmtes Ereignis erinnern und wie du damit umgegangen bist?
Nein, diese Erfahrung habe ich bislang nicht gemacht.
Bist du in deinem beruflichen Werdegang oder in anderen Lebensbereichen diskriminiert worden? (Migrationshintergrund, Religionszugehörigkeit, sexuelle Orientierung)
Nein, mir ist weder in meinem beruflichen Werdegang noch in anderen
Lebensbereichen Diskriminierung widerfahren.
Hat das Frausein einen Einfluss auf deine Biografie?
Nein, das Frausein hat keinen Einfluss auf meine Biografie.
Existiert deiner Meinung nach eine Geschlechtergerechtigkeit?
Nein, diese existiert offensichtlich nicht. Andernfalls müssten wir nicht darüber
sprechen. Die Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern sind in vielen
Lebensbereichen offensichtlich.
Seit 2016 liegt eine vorgegebene Quote von mindestens 30% der Frauen in Gremien wie Vorstand oder Aufsichtsrat vor, die in Unternehmen vertreten sein müssen. Was hältst du von der Gesetzesregelung?
Grundsätzlich halte ich eine solche Regelung für sinnvoll, um den Anteil von
Frauen in solchen Führungspositionen zu erhöhen. Frauen müssen aus
den "hinteren Reihen" hervortreten und als Führungskräfte sichtbarer
werden. Sie sind für solche Positionen ebenso gut qualifiziert wie Männer.
Findest du es erforderlich, dass die Frauenquote als Gesetz sogar festgelegt werden musste?
Ja, unbedingt.
Hat sich für dich etwas in der Gesellschaft bezüglich der Gelichstellung der Geschlechter in den letzten 10 Jahren etwas geändert?
Ich denke, dass grundsätzlich das Bewusstsein für Ungleichheiten zwischen den
Geschlechtern innerhalb der Gesellschaft geschärft wurde. Damit einhergehend
ist sicherlich auch die Bereitschaft gewachsen, sich aktiv für die Gleichstellung
der Geschlechter einzusetzen und hierfür getroffene Maßnahmen durchzusetzen.
In welchen Situationen merkst du persönlich, dass Frauen in Deutschland noch nicht voll gleichberechtigt werden?
In Gehaltsfragen muss sich für die Zukunft vieles ändern. Frauen bekommen
noch immer häufig bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit weniger Gehalt als
Männer.
Fallen dir gesellschaftliche Bereiche ein, in denen Frauen systematisch benachteiligt werden?
Zum Beispiel werden Hausarbeit, Kindererziehung und die Pflege (älterer oder
kranker) Familienangehöriger leider noch viel zu oft ganz selbstverständlich
als -zum Teil alleinige- Aufgabe der Frau angesehen. Diese (unbezahlte) Arbeit
übernehmen sie zusätzlich zu ihrer beruflichen Tätigkeit.
Wurdest du auf deinem Lebensweg anders behandelt? Gibt es erwähnenswerte positive oder negative Erfahrungen?
Eine "andere" Behandlung aufgrund meines Geschlechts oder meiner Herkunft
habe ich in der Vergangenheit nicht erfahren.
Welche Erwartungen stellst du an die Gesellschaft?
Toleranz und Offenheit gegenüber allen Menschen, gleich welcher Herkunft und
Religionszugehörigkeit.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Chancengleichheit für Frauen und Männer
in allen Bereichen der Gesellschaft.
Was könnten vor allem Männer, die im gesellschaftlichen Kontext privilegierter sind, dazu beitragen, um die Geschlechtergerechtigkeit aufrechtzuhalten?
Die Frage setzt voraus, dass es Geschlechtergerechtigkeit überhaupt gibt... Ein
Mittel wäre es, sog. "gläserne Decken" in allen gesellschaftlichen Bereichen
aufzubrechen und so die Unterrepräsentanz von Frauen in Politik und
Führungsfunktionen in der Wirtschaft aufzuheben.
Wie wichtig ist es sich als junge Frau politisch zu engagieren?
Politisches Engagement halte ich für unerlässlich, wenn man seiner Stimme
gehör verschaffen und wichtige Themen voranbringen will.
Was würdest du jungen Frauen auf den Weg geben?
Legt euren Fokus auf Schule, Ausbildung und Beruf. Nur wer auf eigenen Beinen
steht, kann selbstbestimmt seinen eigenen Weg gehen.
Nermin GÜROCAK, 27
Hobbys / Freizeitaktivitäten / evtl. ehrenamtliches Engagement?
Lesen, Kurzgeschichten schreiben, tanzen, Sport, Freunde treffen
Familienstand?
verheiratet
Beruf?
Projektkoordinatorin des Bundesprogramms "Demokratie leben!" für die Partnerschaft in Osterode
Eine interkulturelle Brücke bedeutet für mich…
…die Möglichkeit des Kennenlernens unterschiedlicher Kulturen. Somit können
bestehende Ängste und Vorurteile abgebaut werden. Das Entstehen von
Parallelgesellschaften kann verhindert werden. Eine interkulturelle Brücke ist ein
wichtiger Bestandteil der Integration. Ich würde sogar behaupten, dass ohne eine
interkulturelle Brücke die Integration nicht gelingen kann.
Ich finde Demokratie wichtig, weil… / Demokratie bedeutet für mich…
…weil uns dadurch Rechte gewährt werden, die für Menschen in anderen Ländern
keine Selbstverständlichkeit ist. Durch die Demokratie haben wir die Möglichkeit
mitzuwirken, Einfluss auf wichtige Entscheidung zu nehmen und die Meinung frei zu äußern.
Welche Rolle spielt die Demokratie in deinem Alltag?
Ich finde, dass uns die Demokratie (sofern man es zulässt bzw. auslebt) in vielen
Bereichen des Alltags begegnet. Ich versuche z.B. so gut es geht meinen Sohn
demokratisch zu erziehen. Er darf sich bei allen Entscheidungen, die in der
Familie getroffen werden, mit einbringen und seine eigene Meinung äußern, auch
wenn es manchmal sehr utopische Dinge sind.
Beruflich spielt die Demokratie in meinem Alltag auch eine große Rolle. Als
Koordinatorin eines demokratischen Projekts, bin ich täglich damit konfrontiert.
Was war dein Beweggrund / deine Motivation deinen Beruf bzw. dein ehrenamtliches Engagement auszuüben?
Während meiner Jugendzeit (besonders in der Schule) musste ich sehr viele
Erfahrungen mit rassistischer Diskriminierung machen. Bis heute bin ich was
dieses Thema angeht sehr sensibel und es hat lange gedauert, bis ich offen über
diese Thematik und meine Erfahrungen reden konnte. Daher war es für mich
sehr wichtig diesen Job auszuführen um eben präventiv gegen Diskriminierung
jeglicher Art entgegenwirken zu können. Mein Ziel war immer die Generation
nach mir so stark zu machen, dass sie sich gegen Diskriminierungen währen
können und sich nicht alles gefallen lassen müssen (wie ich es damals getan
habe). Außerdem finde ich es sehr wichtig gegen demokratiefeindliche
Tendenzen Haltung zu zeigen, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.
Wurden dir in deinem bisherigen Werdegang Steine in den Weg gelegt? Kannst du dich an ein bestimmtes Ereignis erinnern und wie du damit umgegangen bist?
In meiner Schulzeit haben meine Lehrer:innen versucht mich immer wieder davon
zu überzeugen, dass ich mein Abitur nicht schaffen würde. Sie haben mir
empfohlen einen Realabschluss zu machen und eine Ausbildung anzufangen. Die
besten Begründungen waren, dass mein Deutsch nicht gut genug sei und
wahrscheinlich nach der Schule eh heiraten muss (der letzte Grund wurde zwar
immer als "Spaß" dargestellt, aber ich bin fest davon überzeugt, dass es ernst
gemeint war). Wenn ich erwähnt habe, dass ich Studieren will, wurde ich zum Teil
ausgelacht!! oder belächelt.
Ich habe nicht einmal dran gedacht die Schule zu wechseln, weil ich klare und
feste Ziele vor Augen hatte. Der Rückhalt durch Familie und Freunde war auch
sehr wichtig. Außerdem wussten meine Lehrer:innen nicht, dass ihre Worte mich
ehrgeiziger gemacht haben statt mich zu demotivieren.
Bist du in deinem beruflichen Werdegang oder in anderen Lebensbereichen diskriminiert worden? (Migrationshintergrund, Religionszugehörigkeit, sexuelle Orientierung)
Ja. Bis heute muss ich leider immer wieder Erfahrungen aufgrund meines
Migrationshintergrundes und meiner Religionszugehörigkeit machen.
In den meisten Fällen geschieht es indirekt. Manche Menschen sind sich gar nicht
bewusst, dass Sie mit ihren Aussagen diskriminieren (positive Diskriminierung).
Hat das Frausein einen Einfluss auf deine Biografie?
Ja
Existiert deiner Meinung nach eine Geschlechtergerechtigkeit?
Nein!
Seit 2016 liegt eine vorgegebene Quote von mindestens 30% der Frauen in Gremien wie Vorstand oder Aufsichtsrat vor, die in Unternehmen vertreten sein müssen. Was hältst du von der Gesetzesregelung?
Der Hintergedanke mag "nett" sein, aber dadurch haben Frauen immer wieder mit
Vorurteilen am Arbeitsplatz etc. zu kämpfen und müssen sich zum Teil
rechtfertigen, dass sie nicht nur aufgrund der Quote, sondern aufgrund ihren
Fähigkeiten und Qualifikationen in dieser Position sind.
Findest du es erforderlich, dass die Frauenquote als Gesetz sogar festgelegt werden musste?
In einer männerdominierten Arbeitswelt…, leider ja.
Hat sich für dich etwas in der Gesellschaft bezüglich der Gelichstellung der Geschlechter in den letzten 10 Jahren etwas geändert?
Ich denke schon, dass sich einige Dinge geändert und auch verbessert haben.
In welchen Situationen merkst du persönlich, dass Frauen in Deutschland noch nicht voll gleichberechtigt werden?
Auf dem Arbeitsmarkt. Frauen werden weniger zugemutet. Und ich habe z.B.
schon zweimal absagen bei Bewerbungen bekommen, weil ich eine junge
verheiratete Frau bin und somit das Risiko besteht, dass ich schwanger werden
kann. Oder auch während der Pandemie und des Lockdowns. Es war für viele
selbstverständlich, dass die Frau zu Hause bleiben muss, um die Kinder zu versorgen.
Wurdest du auf deinem Lebensweg anders behandelt? Gibt es erwähnenswerte positive oder negative Erfahrungen?
Ja. Egal ob negativ oder positiv ausgerichtet kann ich behaupten, dass ich anders
behandelt worden bin.
Positiv war/ist z.B. dass ich an der Uni sehr viel Rückhalt und Unterstützung
seitens Dozent;innen bekommen habe, als ich schwanger wurde, oder mit Kind
weiter studiert habe.
Auch während der Wohnungssuche haben wir als Paar eher Zusagen
bekommen, wenn ich (als Frau) die Gespräche geführt habe (wobei das wieder
diskriminierend gegenüber dem Mann ist).
Welche Erwartungen stellst du an die Gesellschaft?
Ich erwarte, dass ein Umdenken stattfindet. Wir sollten als Gesellschaft von den
vorgeschriebenen Rollen, die uns zugeschrieben werden, wegkommen.
Auch sollten in einem kulturell vielfältigen Land, die Menschen versuchen auf
bestehende Ängste einzugehen, Kontakte zu suchen. eben die kulturelle Brücke
aufbauen, damit wir als multikulturelle Gesellschaft friedlich und respektvoll
funktionieren können.
Was könnten vor allem Männer, die im gesellschaftlichen Kontext privilegierter sind, dazu beitragen, um die Geschlechtergerechtigkeit aufrechtzuhalten?
Die Männer sollten keine Angst davor haben ihre Privilegien zu verlieren, wenn
sie die Geschlechtergerechtigkeit unterstützen.
Wie wichtig ist es sich als junge Frau politisch zu engagieren?
Es ist allgemein wichtig, sich zu engagieren. Aber als junge Frau ist es noch
wichtiger sich einzumischen und einzubringen, damit eben die
Geschlechtergerechtigkeit aufrechterhalten wird.
Was würdest du jungen Frauen auf den Weg geben?
Junge Frauen sollten sich nicht gezwungen fühlen, die ihnen vorgeschrieben
Rollen auszuleben. Es ist wichtig, genau diese Rollen ablegen zu können und die
eigenen Ziele und Wünsche zu verfolgen. Sie sollen an sich glauben und nie an
den eigenen Fähigkeiten zweifeln.
Frauke HEILIGENSTADT, 55
Hobbys / Freizeitaktivitäten / evtl. ehrenamtliches Engagement?
Wandern, Lesen, kommunalpolitisch (ehrenamtlich) im Kreistag tätig.
Familienstand?
Verheiratet
Beruf?
Dipl. Verwaltungswirtin FH, Mitglied des Landtags, Kultusministerin a.D.
Eine interkulturelle Brücke bedeutet für mich...
…kulturelle Vielfalt als Bereicherung wahrzunehmen.
Ich finde die Demokratie wichtig, weil... / Demokratie bedeutet für mich...
…sich in einer Demokratie alle Menschen einbringen können und wir eine Gesellschaft der Solidarität brauchen. Solidarität ist aber ohne Demokratie nicht vorstellbar für mich.
Welche Rolle spielt die Demokratie in deinem Alltag?
Ich praktiziere ein demokratisches Miteinander nahezu jeden Tag. Ich höre den Argumenten anderer Demokratinnen und Demokraten zu, versuche meine Standpunkte darzulegen und für meine Positionen zu werben. Mein Ziel ist eine demokratische, solidarische und gerechte Gesellschaft, in der sich alle Menschen gegenseitig respektieren.
Was war dein Beweggrund / deine Motivation deinen Beruf bzw. dein ehrenamtliches Engagement auszuüben?
Ich wollte dafür sorgen, dass der Bildungserfolg eines jungen Menschen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig ist.
Wo hatte die Demokratie eine wichtige Rolle in deinem Leben gespielt?
Die Wahl in den niedersächsischen Landtag im Jahr 2003 war schon etwas Besonderes, genauso wie die Ernennung und Vereidigung zur Kultusministerin im Jahr 2013. Aber täglich sind es viele Begegnungen mit Menschen, die sich für unsere Demokratie einsetzen, die ich ebenso wichtig finde. Besonders in Erinnerung sind mir die Begegnungen mit Menschen, die den Holocaust überlebt haben und bis an ihr Lebensende dafür kämpfen, dass solches Unrecht nie wieder geschehen möge.
Wurden dir in deinem bisherigen Werdegang Steine in den Weg gelegt? Kannst du dich an ein bestimmtes Ereignis erinnern und wie du damit umgegangen bist?
In meiner ersten Ortsratssitzung im Jahr 1986 sollte ich zur 2. stellvertretenden Ortsbürgermeisterin gewählt werden. Ein anderes Ortsratsmitglied argumentierte gegen meine Person. Ich sei zu jung mit 20 Jahren, ich hätte keine Erfahrung und sei außerdem noch eine Frau! Daher könne ich nicht gewählt werden. Mich haben dann meine Fraktionsmitglieder verteidigt und ich musste mich gar nicht selbst rechtfertigen oder erklären.
Bist du in deinem beruflichen Werdegang oder in anderen Lebensbereichen diskriminiert worden? (Migrationshintergrund, Religionszugehörigkeit, sexuelle Orientierung)
Als Frau in einer von Männern immer noch dominierten, politischen Welt wird man oft anders behandelt als Männer in vergleichbaren Positionen. Mit Diskriminierung wegen Migrationshintergrund oder Religionszugehörigkeit ist das aber nicht vergleichbar.
Hat das Frausein einen Einfluss auf deine Biografie?
Ja
Existiert deiner Meinung nach eine Geschlechtergerechtigkeit?
nein, noch nicht so, wie es das Grundgesetz vorschreibt.
Seit 2016 liegt eine vorgegebene Quote von mindestens 30% Frauen in Gremien wie Vorstand oder Aufsichtsrat vor, die in Unternehmen vertreten sein müssen. Was hältst du von der Gesetzesregelung?
Ich finde diese Regelung richtig, weil Frauen genauso viel leisten können, wie Männer. Es gibt keinen Grund, warum Frauen bei der Bezahlung oder den Karrierechancen immer noch benachteiligt werden.
Findest du es war erforderlich, dass die Frauenquote als Gesetz sogar festgelegt werden musste?
Ja
Hat sich für dich etwas in der Gesellschaft bezüglich der Gleichstellung der Geschlechter in den letzten 10 Jahren etwas geändert?
Nicht wirklich bemerkbar. Es gibt jetzt etwas mehr (meistens jüngere) Männer, die ihr Verhalten auch mal selbst reflektieren und Frauen in "Männerberufen" respektieren.
In welchen Situationen merkst du persönlich, dass Frauen in Deutschland noch nicht voll gleichberechtigt sind?
Bei der Bezahlung und bei den Karrierechancen.
In der medialen Wahrnehmung.
Fallen dir gesellschaftliche Bereiche ein, in denen Frauen systematisch benachteiligt werden?
Bei der Besetzung von Aufsichtsratspositionen, bei der Besetzung von anderen lukrativen Positionen. Bei der Familienarbeit, bei der Pflege von Angehörigen.
Wurdest du auf deinem Lebensweg anders behandelt? Gibt es erwähnenswerte positive oder negative Erfahrungen?
Als Frau wird man viel häufiger nach dem "äußeren Erscheinungsbild" beurteilt, als nach dem fachlichen Können. Frauen müssen heute noch immer wesentlich mehr leisten, um befördert zu werden, als die Männer.
Die gleichen Eigenschaften werden zwischen Frauen und Männern oft anders beurteilt. Z.B. wird eine zielstrebige Frau als "verbissen und ehrgeizig" bezeichnet, während ein zielstrebiger Mann als "selbstbewusst und mental stark" bezeichnet wird.
Welche Erwartungen stellst du an die Gesellschaft?
Ich erwarte von der Gesellschaft, dass Menschen ohne Vorbehalte offen aufeinander zugehen und sich gegenseitig respektieren und wertschätzen. Dass sich "Starke" für "Schwächere" einsetzen und Solidarität üben. Dass nicht jeder/jede an sich selbst denkt, sondern zunächst an das Gemeinwohl gedacht wird.
Was könnten vor allem Männer, die im gesellschaftlichen Kontext privilegierter sind, dazu beitragen, um die Geschlechtergerechtigkeit aufrechtzuerhalten?
Männer sollten nicht versuchen, ihre vorhandenen Privilegien in der Arbeitswelt zu verteidigen. Sie sollten vor allen Dingen nicht mauern, wenn sie plötzlich eine weibliche Vorgesetzte haben. Sie sollten ihre Töchter ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen und ihnen Selbstvertrauen geben.
Wie wichtig ist es sich als junge Frau politisch zu engagieren?
Junge Frauen können ihre eigenen Erfahrungen einbringen und eine neue Perspektive aufzeigen. Sie können bereits im jungen Alter politische Erfahrung sammeln und ggf. einmal an ihre Kinder weitergeben. Damit können sie Vorbild sein für andere junge Frauen.
Was würdest du jungen Frauen auf den Weg geben?
Frauen sollten sich untereinander vernetzen und ihre Erfahrungen austauschen. Sie sollten sich auch gegenseitig unterstützen und nicht als Konkurrentin empfinden. Sie sollen selbstbewusst ihre Meinung äußern, denn sie haben was zu sagen. Sie werden gebraucht.
Astrid KLINKERT-KITTEL, 57
Hobbys / Freizeitaktivitäten / evtl. ehrenamtliches Engagement?
lesen, Sport im Freien
Familienstand?
verheiratet
Beruf?
Landrätin
Eine interkulturelle Brücke bedeutet für mich…
eine Bereicherung für die Gesellschaft!
Ich finde Demokratie wichtig, weil… / Demokratie bedeutet für mich…
Demokratie ist die beste Staatsform, die ich kenne, da sie die besten
Beteiligungsmöglichkeiten für alle Menschen bietet.
Welche Rolle spielt die Demokratie in deinem Alltag?
Demokratische Strukturen spielen täglich in meinem beruflichen Alltag eine Rolle.
Wir haben viele Sitzungen der Kreisgremien mit ehrenamtlichen Poltiker*innen,
wo immer mehrheitlich Entscheidungen getroffen werden. Wir beteiligen in
unterschiedlichen Formaten Bürger*innen, Vereine, Verbände, Städte und
Gemeinden zu ganz unterschiedlichen Themen.
Was war dein Beweggrund / deine Motivation deinen Beruf bzw. dein ehrenamtliches Engagement auszuüben?
Mein Antrieb ist und war immer, die Umfeldbedingungen für alle Menschen in
meinem Wirkungskreis zu verbessern.
Wo hatte die Demokratie eine wichtige Rolle in deinem Leben gespielt?
Bürgermeisterinwahl 2011 in Nörten-Hardenberg
Landrätinwahl 2016 für den Landkreis Northeim
Wurden dir in deinem bisherigen Werdegang Steine in den Weg gelegt? Kannst du dich an ein bestimmtes Ereignis erinnern und wie du damit umgegangen bist?
nein
Bist du in deinem beruflichen Werdegang oder in anderen Lebensbereichen diskriminiert worden? (Migrationshintergrund, Religionszugehörigkeit, sexuelle Orientierung)
Ich persönlich habe keine Diskrimminierungserfahrungen gemacht. Mir ist allerdings bewusst, dass viele Menschen tagtäglich davon betroffen sind. Daran müssen wir unbedingt weiterhin arbeiten.
Hat das Frausein einen Einfluss auf deine Biografie?
Ja, unbedingt. Ich habe mehrere Jahre Erziehungsurlaub genommen und auch in
Teilzeit gearbeitet und meine Kinder nehmen immer eine wesentliche Rolle in
meinem Leben ein und unterstützen mich.
Existiert deiner Meinung nach eine Geschlechtergerechtigkeit?
Der Grad der Geschlechtergerechtigkeit ist stark abhängig von dem Land, in dem jemand lebt. Ich denke, in Deutschland sind wir auf einem guten Weg. Allerdings ist das Ziel noch nicht erreicht. Frauen sind in politischen Gremien und wichtigen Entscheidungspositionen noch immer unterrepräsentiert und Kinder sowie zu pflegende Angehörige bedeuten für Frauen auch heute noch größere Einschränkungen, gerade im beruflichen Bereich, als für Männer.
Seit 2016 liegt eine vorgegebene Quote von mindestens 30% der Frauen in Gremien wie Vorstand oder Aufsichtsrat vor, die in Unternehmen vertreten sein müssen. Was hältst du von der Gesetzesregelung?
Das ist unbedingt nötig. Frauen müssen ermutigt und unterstützt werden, sich hier
einbringen zu können.
Findest du es erforderlich, dass die Frauenquote als Gesetz sogar festgelegt werden musste?
Ja! Allein über die Bestenauslese werden wir es nicht schaffen, da Frauen auf
Grund von Geburten/Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen von vornherein erschwerte Umfeldbedingungen haben.
Hat sich für dich etwas in der Gesellschaft bezüglich der Gelichstellung der Geschlechter in den letzten 10 Jahren etwas geändert?
Ja, junge Frauen und Männer erleben Gleichstellung deutlich bewusster, z. B.
Väter in Elternzeit.
In welchen Situationen merkst du persönlich, dass Frauen in Deutschland noch nicht voll gleichberechtigt werden?
Indem es beispielsweise noch immer Tage wie den "Equal Pay Day" gibt, der auf die existierende Lohnlücke zwischen Frauen und Männernaufmerksam macht. Oder daran, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für viele Frauen noch immer eine große Herausforderung darstellt als für Männer. Auch sind Frauen zum Beispiel in politischen Gremien noch immer unterrepräsentiert.
Fallen dir gesellschaftliche Bereiche ein, in denen Frauen systematisch benachteiligt werden?
Am Arbeitsmarkt haben es besonders Frauen mit Kindern häufig schwerer als Männer. Aber auch in Bereichen wie der Religion werden Frauen benachteiligt. So gibt es z. B. in der kath. Kirche auch heute noch keine Möglichkeit für Frauen, Priesterin zu werden.
Wurdest du auf deinem Lebensweg anders behandelt? Gibt es erwähnenswerte positive oder negative Erfahrungen?
Ich wurde auch immer von Männern unterstützt, die mich beruflich gefördert
haben.
Welche Erwartungen stellst du an die Gesellschaft?
Respektvollen und fairen Umgang mit allen Menschen!
Was könnten vor allem Männer, die im gesellschaftlichen Kontext privilegierter sind, dazu beitragen, um die Geschlechtergerechtigkeit aufrechtzuhalten?
Männer können Frauen stärken, indem sie diese bewusst fördern und auch die
familiäre Situation berücksichtigen. Sie können Frauen in ihre eigenen Netzwerke
einbinden.
Wie wichtig ist es sich als junge Frau politisch zu engagieren?
Das Frauen sich politisch engagieren ist meiner Meinung nach grundsätzlich wichtig. Insbesondere junge Frauen brauchen wir in der Politik, weil diese nochmal spezifisch ihre Erfahrungen und Perspektiven in den demokratischen Prozess mit einbringen können.
Was würdest du jungen Frauen auf den Weg geben?
Seid selbstbewusst und traut Euch! Die Gesellschaft braucht das Wissen und die
Erfahrung von Frauen an allen Stellen!
Stephanie von LINGEN, 59
Hobbys / Freizeitaktivitäten / evtl. ehrenamtliches Engagement?
Motorrad-, Fahrrad- und Kajakfahren, Wandern. Ehrenamt: "Bündnis Demokratie leben" des Landkreises, Bündnis gg. Rechts NOM
Familienstand?
verheiratet
Beruf?
Pastorin (Superintendentin)
Eine interkulturelle Brücke bedeutet für mich…
die Überwindung von Sprachbarrieren. Z.B. Formulare, Internetseiten usw. sollten
in verständlicher (einfacher) Sprache formuliert sein. Das Antragswesen in
unserem Land sollte generell vereinfacht werden, damit alle leichteren Zugang zu
Informationen, Sozial-, Gesundheitsleistungen etc. haben.
Ich finde Demokratie wichtig, weil… / Demokratie bedeutet für mich…
Freie Meinungsäußerung, Diskursivität, Einstehen für das Gemeinwohl, gleiche
Rechte und Pflichten für alle Bürger*innen, Zulassen von Vielfalt und Diversität,
Eintreten für Menschenrechte und gegen Extremismus und Diskriminierung.
Welche Rolle spielt die Demokratie in deinem Alltag?
Demokratie spielt privat, aber auch in meinem beruflichen Alltag eine große Rolle.
In unserer evangelischen Kirche bemühen wir uns, Entscheidungen mit möglichst
hoher Diskussionsbeteiligung unserer Mitglieder, gegenseitiger Toleranz und
Kompromissfähigkeit und in demokratischen Abstimmungsverfahren
herbeizuführen im Rahmen des geltenden Rechts. In den vergangenen 20 Jahren
hat sich dankenswerterweise in unserer Kirche die Haltung zu Themen wie
Gleichberechtigung und sexuelle Diversität geändert, so dass sowohl die
kirchlichen Berufe als auch das kirchliche Leben jeden Menschen einlädt, dabei
zu sein, unabhängig von Herkunft oder Geschlecht. Klar ist aber auch, dass ich
auch persönlich jeden Moment im Alltag für die Umsetzung demokratischer
Rechte eintreten muss und sensibel dafür sein muss, wo ich mich vielleicht selbst
diskriminierend verhalte ohne mir dessen bewusst zu sein. Meinen Glauben weitersagen: Wir Menschen sind von Gott geliebt mit all unseren
Fehlern und Schwächen.
Meine christliche Haltung so gut es geht leben:
- Liebe deinen Nächsten wie dich selbst
- Bemühe dich um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung
Was war dein Beweggrund / deine Motivation deinen Beruf bzw. dein ehrenamtliches Engagement auszuüben?
Meinen Glauben weitersagen: Wir Menschen sind von Gott geliebt mit all unseren
Fehlern und Schwächen.
Meine christliche Haltung so gut es geht leben:
- Liebe deinen Nächsten wie dich selbst
- Bemühe dich um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung
Wo hatte die Demokratie eine wichtige Rolle in deinem Leben gespielt?
Als ich mit 18 das erste Mal selbst wählen gehen durfte. Als ich vor 6 Jahren von
unserer Kirchenkreissynode zur Superintendentin gewählt wurde (stellenteilend
-zusammen mit meinem Mann). Als Kamala Harris zur US-amerikanischen
Vizepräsidentin gewählt wurde.
Wurden dir in deinem bisherigen Werdegang Steine in den Weg gelegt? Kannst du dich an ein bestimmtes Ereignis erinnern und wie du damit umgegangen bist?
Während des Studiums musste ich im Rahmen einer Zwischenprüfung ein
Gespräch mit einem älteren Theologieprofessor führen. Das muss etwa 1984
gewesen sein. Er legte mir nahe, den Studiengang zu wechseln, da er nichts
davon hielt, dass Frauen Pastorin werden konnten. Die Erfahrung hat mich eher
bestärkt, meinem Berufswunsch zu folgen, "jetzt erst recht".
Bist du in deinem beruflichen Werdegang oder in anderen Lebensbereichen diskriminiert worden? (Migrationshintergrund, Religionszugehörigkeit, sexuelle Orientierung)
Nein, nicht bewusst.
Hat das Frausein einen Einfluss auf deine Biografie?
Ja, meines Erachtens schon. ich habe immer versucht, Beruf und Kinder/ Familie/
private Interessen miteinander zu vereinbaren. Das ist und war in meiner
Generation und meinem Beruf, der sich nicht nach festen Dienstzeiten richtet,
nicht so einfach. Ich arbeite daher bis heute in Teilzeit, mein Mann arbeitet
Vollzeit.
Existiert deiner Meinung nach eine Geschlechtergerechtigkeit?
In Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern sind wir m.E. auf gutem
Wege. Aber sowohl hier als vor allem weltweit gibt es noch viel zu tun, damit
Geschlechtergerechtigkeit selbstverständlich wird.
Seit 2016 liegt eine vorgegebene Quote von mindestens 30% der Frauen in Gremien wie Vorstand oder Aufsichtsrat vor, die in Unternehmen vertreten sein müssen. Was hältst du von der Gesetzesregelung?
Ich finde sie gut, wenn die entsprechenden Frauen auch wirklich ausreichend
dafür qualifiziert sind, bzw. bereits vorher in ihrer Berufsbiografie entsprechend
gefördert werden, damit sie die Chance haben, sich gut zu qualifizieren.
Findest du es erforderlich, dass die Frauenquote als Gesetz sogar festgelegt werden musste?
Ja, schweren Herzens. Leider hat es ohne Gesetz bislang nicht funktioniert.
Hat sich für dich etwas in der Gesellschaft bezüglich der Gelichstellung der Geschlechter in den letzten 10 Jahren etwas geändert?
Ja, schon viel, aber noch nicht genug.
In welchen Situationen merkst du persönlich, dass Frauen in Deutschland noch nicht voll gleichberechtigt werden?
In vielen Bereichen, zum Beispiel in unseren politischen Parteien, ist die
Frauenquote nach wie vor unter 50 %. In vielen Bereichen der Wirtschaft
bekommen Männer für gleiche Tätigkeiten höhere Gehälter als Frauen. Frauen,
die es in Deutschland in Spitzenpositionen schaffen, mussten dafür häufig sehr
viel mehr leisten als Männer in entsprechenden Positionen. Falls sie Kinder
haben, werden sie immer wieder gefragt, wie sich Beruf und Familie vereinbaren
ließen. Ihr Aussehen, ihr Auftreten und ihr Leitungsstil werden m.E. häufiger
hinterfragt und bewertet als bei Männern in vergleichbaren Positionen. Besonders in allen wirtschaftlichen Belangen, die sich um den Profisport drehen.
Dienstleistungsberufe, pflegerische und erzieherische Berufe müssen immer
wieder um angemessene Entlohnung kämpfen. Weil dort überwiegend Frauen
tätig sind?
Fallen dir gesellschaftliche Bereiche ein, in denen Frauen systematisch benachteiligt werden?
Besonders in allen wirtschaftlichen Belangen, die sich um den Profisport drehen.
Dienstleistungsberufe, pflegerische und erzieherische Berufe müssen immer
wieder um angemessene Entlohnung kämpfen. Weil dort überwiegend Frauen
tätig sind?
Wurdest du auf deinem Lebensweg anders behandelt? Gibt es erwähnenswerte positive oder negative Erfahrungen?
Bis vor 10 Jahren gehörten sexuelle Anzüglichkeiten und gelegentliche kleine
Übergrifflichkeiten von Männern für mein Empfinden zum selbstverständlichen
(Arbeits-) Alltag von Frauen. Ich denke schon, dass sich durch "me too" und
ähnliche Debatten inzwischen etwas zum Besseren verändert hat.
Welche Erwartungen stellst du an die Gesellschaft?
Ich erwarte, dass sich unsere Gesellschaft vehement gegen
Geschlechterdiskriminierung, sexuellen Missbrauch, Rassismus und
Antisemitismus zur Wehr setzt und rechtsextremen Tendenzen keinen Raum gibt
in unserem Land. Und ich bin guter Hoffnung, dass uns das auf lange Sicht
gelingen kann.
Was könnten vor allem Männer, die im gesellschaftlichen Kontext privilegierter sind, dazu beitragen, um die Geschlechtergerechtigkeit aufrechtzuhalten?
Sensibel für Geschlechtergerechtigkeit sein und diese in Bewerbungsverfahren
auch umsetzen. Im Betrieb alle zum Thema Gleichstellung und Machtmissbrauch
regelmäßig schulen, Frauen ermutigen und Strukturen schaffen, die Frauen
berufliche Entwicklung ermöglichen (flexible Arbeitszeiten, Möglichkeiten für
Homeoffice, flexible Fortbildungsmöglichkeiten, Betriebskindergärten). Für gleiche
Gehälter sorgen.
Wie wichtig ist es sich als junge Frau politisch zu engagieren?
Ich halte es für wichtig, dass sich jede*r so gut er/sie kann,
politisch/gesellschaftspolitisch für das Gemeinwohl engagiert. Sonst funktioniert
eine demokratische Gesellschaft nicht.
Was würdest du jungen Frauen auf den Weg geben?
Traut euch viel zu und verfolgt hartnäckig Eure Ziele. Sprecht für Euch selbst und
wartet nicht darauf, dass es andere tun. Knüpft eigene Netzwerke mit anderen
Frauen. Wehrt euch gegen Übergriffe jeder Art.
Nachwort:
Simon Hartmann (Bürgermeisterder Stadt Northeim)
Die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit ist eine zentrale Frage unserer Zeit. Und auch wenn wichtige Wegmarken erreicht sind, sind wir noch lange nicht am Ziel einer solidarischen, respektvollen und gerechten Gesellschaft. Daher sehe ich unsere kommunale Gleichstellungsarbeit als ein Fundament für ein modernes Miteinander. Als Bürgermeister und Verantwortlicher für eine Stadtverwaltung mit einem Kollegium von über 300 Menschen möchte ich meinen aktiven Beitrag für mehr Geschlechtergerechtigkeit, zum Aufbrechen von Klischees und alten Mustern und einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten und Frauen dafür begeistern, einen selbstbestimmten Weg einzuschlagen. Als Arbeitgeberin steht die Stadt Northeim für Vereinbarkeit von Familie und Beruf, flexible Arbeitszeiten sowie interessante und anspruchsvolle Aufgaben – unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Religion.
Die starken Frauen aus Northeim und der Region, die in der Broschüre zu Wort kommen, zeigen in eindrucksvoller Weise, wie schwer und weit der Weg war und ist. Aber sie zeigen auch, wie sehr es sich lohnt, für Teilhabe und Gerechtigkeit einzutreten. Ich wünsche mir, dass unsere Stadtgesellschaft sich ihrer Diversität, der Verantwortung für die Gemeinschaft und dem hohen Gut der Demokratie jederzeit bewusst ist und engagiert gemeinsam daran arbeitet, das Lebensumfeld für alle Menschen kontinuierlich zu verbessern, damit sich noch mehr dieser bemerkenswerten Vorbilder entfalten können und so das Fundament für ein geschlechtergerechtes Miteinander gelegt wird.
Aber es darf nicht einfach nur ein Claim sein, sondern muss authentisch vermittelt und im Alltag gelebt werden. Deswegen sehe ich mich als beispielgebend für ein Handeln, in dem die Position der Frauen gestärkt wird und Gleichberechtigung in beide Richtungen führt: Auch Männer müssen ermutigt und dabei gefördert werden, ihren Part in der Familienbetreuung anzunehmen. Erst mit dieser Unterstützung und Akzeptanz können alle Geschlechter ihr volles Potenzial entfalten.
Mit der vorliegenden Veröffentlichung hat der Integrations- verein Köprü e. V. ein aufschlussreiches und gleichsam wichtiges Werk aufgelegt. Dafür danke ich den Vereinsverantwortlichen herzlich.
Herzliche Grüße, Ihr Simon Hartmann